Milch und Fleisch bleiben hier

Landwirtschaft

Bundesratsinitiative zu großen Tierhaltungsanlagen

„Gunstregion“ ist das Wort der Stunde. Die Milch wandert aus dem Süden Deutschlands schon länger nordwärts. In Ostfriesland und Schleswig-Holstein sind die Produktionskosten niedriger. Was an Milch neu im Norden produziert wird, fehlt an Kühen im Süden. Die Milchkühe von kleinen Familienbetrieben gibt es nicht mehr, die Bestände im Norden werden größer.
Mittlerweile zieht die Milch auch westwärts. In Irland sind die Produktionsbedingungen noch günstiger, das Gras wächst während 50 Wochen im Jahr und eigentlich gibt es keinen Frost und Schnee. Irland könnte das Neuseeland Europas werden, wo die Produktionsbedingungen unschlagbar günstig sind. In der Tat prophezeien irische Marktexperten, dass nach Abschaffung der Milchquote 2015 die in Irland produzierte Milchmenge um 50 Prozent ansteigen wird1). Zum einen beobachten sie eine Vergrößerung bestehender Milchviehbetriebe, zum anderen zahlreiche Neugründungen. Seit 2009 wurden vor allem im Süden des Landes 230 neue Milchviehbetriebe gezählt.
Auch bei Schweinen zeichnet sich eine Wanderbewegung ab. Baden-Württemberg hat im letzten Jahr mehr als zwei Millionen Schweine verloren2). Derzeit gibt es nur noch so viele Schweine wie in den 1960er Jahren. Auch damit gehen familienbäuerliche Strukturen verloren. Die Schweine konzentrieren sich auf die großen Betriebe im Norden und Osten der Republik.

Tierschutz und Agrarstruktur

Ulrike Höfken, Landwirtschaftsministerin in Rheinland-Pfalz, sieht indirekte Effekte, die durch das Wachstum von großen Tierhaltungsanlagen entstehen, auch in Rheinland-Pfalz. Dort gab es 1990 noch 13.551 Betriebe mit 509.562 Schweinen. Heute sind es nur noch 1.461 Betriebe mit 245.600 Schweinen. Milchkühe gibt es vornehmlich im grünlandreichen Nordwesten. Die Durchschnittsgröße liegt bei nur 48 Tieren.
Die Perspektive für Tierhalter sind schlecht, denn auch innerhalb Nordrhein-Westfalens verschiebt sich die Tierhaltung in die Regionen Münsterland, Ostwestfalen und Niederrhein. Rund 100 neue große Tierhaltungsanlagen befinden sich in NRW und fünf in Rheinland-Pfalz in der Genehmigungsphase.
Das verschärfe den Strukturwandel. Zudem stoßen die großen Anlagen auf Widerstand in der Bevölkerung. Mit der Konzentration der Tierhaltung, fokussiere sich auch die Gülleausbringung auf nur wenige Regionen, die Menschen fühlen sich durch Gerüche belästigt. Die großen Anlagen stehen auch beim Tierschutz in der Kritik

Deckelung der Neuzulassung

Johannes Remmel, Landwirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen, und Höfken haben eine Bundesratsinitiative vorgestellt, die Neuzulassungen deckeln soll. Die alten fallen unter einen Bestandsschutz, so Remmel. Im Fokus zur Steuerung der Anlagengröße steht das Privileg der Landwirte.
Im Baugesetzbuch § 35 Absatz 1 werden die Privilegien genannt, für die es Ausnahmen für Bauten im Außenbereich gibt. Dazu zählt auch der landwirtschaftliche Betrieb. Die dürfen auf Grund und Boden bauen, der nicht als Baugebiet ausgewiesen ist.
Die Kommunen sollen wirksame Steuerungsinstrumente erhalten, wie zum Beispiel Verordnungsermächtigungen zur Begrenzung solcher Großanlagen.
Im Wesentlichen soll die Tierhaltung nicht mehr in bestimmten Regionen konzentriert werden, um die negativen Effekte aufzuheben. Hilfe soll auch das Bundesimmissionsschutzgesetz und die Technische Anleitung Luft leisten. Die Schwellenwerte im Bundesimmissionsschutzgesetz für die Einhaltung der Emissionen sollen gesenkt werden und die TA Luft soll verbindliche Regeln gegen Feinstäube und Bioaerosole vorgeben.
Das gilt dann nicht nur für landwirtschaftliche Betriebe, sondern auch für die Gewerbebetriebe, die es im Bereich der Geflügel- und Schweinehaltung gibt. Für die Tierhaltung solle wieder ein Bezug zu einer „landwirtschaftlichen Grundsubstanz“ gelten. Das könne über eigene Nachweisflächen für die Gülle oder hofeigenen Futteranbau geschehen.
Remmel will das Landwirteprivileg auch wieder auf seinen ursprünglichen Kern zurückführen, der den Auszug der Bauern aus den Dorfkernen erleichtert hat.

Erstmal nur zwei…

In Berlin nicht dabei war Alexander Bonde, Landwirtschaftsminister in Baden-Württemberg (ebenfalls Bündnis90/Die Grünen). Remmel sagte zu Herd-und-Hof.de, dass er zusammen mit Höfken alle einladen wolle, die Initiative zu unterstützen. Bonde wird sicher schnell folgen.
Ob es mehr werden, ist offen. Herd-und-Hof.de fragte Dr. Hermann Otto Aeikens, Landwirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt nach seiner Einschätzung:
Die Präsentation des Vorschlags sei sehr publikumswirksam auf der Grünen Woche präsentiert worden, so Dr. Aeikens. Das Landwirteprivileg sei vernünftig, weil niemand mehr die Tierhaltung zurück in den Dörfer haben wolle. Bevor dieses gestrichen werde, sollte man prüfen, ob es im Vollzug Mängel gebe.
Bezogen auf das Bundesimmissionsschutzgesetz sei sein Land Vorreiter bei den Standards. Anstatt dieses zu verschärfen, könnten auch Raumordnungsverfahren helfen, die Konflikte zu vermeiden. Ebenfalls könnten Abstandsregelungen überprüft werden.
Die TA Luft sei eine ausreichende Regelung, aber Dr. Aeikens will prüfen, ob die Vorschläge für neue Werte auch in seinem Bundesland übernommen werden können. Generell sollten die Möglichkeiten des Vollzugs vor einer Änderung bestehender Grundlagen geprüft werden.

Lesestoff:

1) TResearch Volume 6, Number 4, Winter 2011, S. 26 von Teagasc, der irischen Agrarbehörde www.teagasc.ie

2) BW laufen die Schweine weg

Roland Krieg (Text und Fotos)

[Sie können sich alle Artikel über die diesjährige Grüne Woche mit dem Suchbegriff „IGW-12“ anzeigen lassen]

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